Urban Cactus - vertikaler Bauernhof
Hochhäuser im Charm eines Bürogebäudes,
glasverkleidete Wolkenkratzer und ein Flair, das eher an die
Großstadt erinnert, denn auf einen Bauernhof hinzuweisen.
Diese Denkweise könnte allerdings nicht nur bald der
Vergangenheit angehören, sondern auch ein wirtschaftlich und
biologisch tragfähiges Konzept der Zukunft sein. Im
Mittelpunkt der Idee des New Yorker Professors Dickson Despommier steht
ein mehrgeschossiges Haus, das sowohl Tiere als auch Pflanzen
beinhaltet und ein clever durchdachtes Ökosystem darstellen
soll. Der dabei entstehende natürliche Kreislauf
könnte insbesondere für Selbstversorger sinnvoll
sein. Bislang ist es zur Verwirklichung des Vorhabens allerdings nicht
gekommen, da eine Testphase in den Niederlanden noch während
der Planung vorzeitig beendet wurde. Zur Bekämpfung des
weltweiten Hungers dürfte die Zukunft dennoch im vertical
farming liegen.
Das Haus als Aufzuchtstätte für Pflanzen und Tiere
Grundsätzlich bezieht sich die These auf ein Gebäude,
das über mehrere Etagen verfügt. Befinden sich ganz
unten in ihm noch Hühner, Wasserbecken für Fische
sowie andere kleinere Nutztiere, so würden weiter oben bereits
Obst und Gemüse angebaut. Darüber wiederum
wären niedere Pflanzen beheimatet, die im obersten Stockwerk
lediglich von Kräutern übertroffen werden. Das
gesamte System soll sich dabei weitgehend selbst tragen
können: Die Gewächse kämen als Futtermittel
für die Tiere zum Einsatz. Ihr Mist würde dagegen
einen fruchtbaren Nährboden für Gräser und
Pflanzen darstellen. Ein solches Gebäude soll der Grundidee
folgend ohne Käufe von Saatgut, Düngemitteln oder
Tiernahrung auskommen.
Die Frage der Energie
Ein erstes Problem stellt sich jedoch bereits ein, wenn nach dem
Energiehaushalt des Gebäudes gefragt wird. Immerhin
benötigen die Pflanzen eine gewisse Menge an Wärme
und Licht. Auch die Tiere würden ohne diese
zusätzlichen Quellen nicht allzu lange überleben.
Hierbei stellt die These darauf ab, dass sich um den eigentlichen
Nutzbau weitere Häuser befinden. Etwa als Lebensort der
Besitzer, als Garage oder Unterstellplatz für
Gartengeräte. Die in ihnen entstehende Wärme
könnte somit für den vertikalen Bauernhof eingesetzt
werden. Ein weiteres Konzept sieht es dagegen vor, mittels
Sonnenkollektoren, eigenen Windrädern oder anderweitigen
Kraftwerken im Eigenbetrieb die benötigte Energie für
das Gebäude zu gewinnen und dennoch autark zu leben.
Der Verbrauch des Wassers
Ein weiteres Erfordernis stellt sich durch die Verwendung des Wassers.
Auch hierbei soll möglichst preisgünstig und
umweltschonend agiert werden. Berechnungen haben ergeben, dass das
Hochhaus als vertikale Farm nur etwa 5 % der Wassermenge
benötigen würde, die ein Bauernhof unter
vergleichbaren Zahlen an Tieren und Pflanzen verbraucht. Die
Einsparungen wären daher bereits immens. Der Vorteil liegt
jedoch auch hierbei im geschlossenen Ökosystem:
Während auf dem herkömmlichen Hof zumeist Trinkwasser
benutzt und Abwasser zur Ernährung der Felder verwendet wird,
könnte das vertical farming einen kompletten Wasserkreislauf
errichten. In ihm soll es auch möglich sein, das
kühle Nass etwa durch Ausschwitzung der Pflanzen zu reinigen.
Die Vorteile des vertikalen Bauernhofes
Das Projekt mag in größerem Maßstab
erdacht worden sein und soll insbesondere in
Großstädten zum Einsatz kommen. Mehrere dieser
Exemplare könnten selbst Millionenmetropolen
ernähren. Aber auch für den autark lebenden
Bürger eignet sich die Idee in besonderer Weise. Denn der
Rückzug auf die eigene Scholle sowie der Anbau
ökologisch unbedenklicher Lebensmittel ist nicht nur ein
Modetrend der heutigen Zeit, sondern entspricht immer mehr den
Bedürfnissen vieler Menschen. Sie haben beim vertical farming
die Gelegenheit, das gesamte Jahr über Pflanzen anzubauen und
Tiere zu züchten. Schwankungen des Klimas oder
längere Perioden unsteten Wetters wären keine Gefahr
für die Ernte. Das System wäre vielmehr immer
gleichen Bedingungen ausgesetzt und würde daher berechenbare
Erträge zeitigen.
Denkbare Nachteile und Schwierigkeiten
Grundsätzlich sollte auch das sich selbst tragende Kostensystem als Vorteil gelten. Doch bereits die Bausummen des
Gebäudes wären so hoch, dass sie insbesondere
für den normalen Bürger nicht zu tragen sind.
Demgegenüber stellt sich das Problem, neue
Gewächshäuser zu errichten, obwohl bereits eine
Vielzahl an Bauernhöfen herkömmlicher
Prägung besteht. Hier wenden Befürworter jedoch ein,
dass auch ein Ausbau derselben dem Projekt an sich nicht im Wege stehen
muss. Schwieriger dürfte es allerdings werden, drohende
Einnahmeausfälle für die Nahrungsmittelindustrie zu
rechtfertigen. Denn je mehr solcher vertikaler Farmen insbesondere im
großen Stil errichtet werden, desto weniger ist der Zukauf
sonstiger Lebensmittel notwendig. Die Frage ist daher nicht, ob ein
solches Gebäude errichtet werden kann – sondern
vielmehr, wann die Zeit dafür reif ist.