Die kleine Energieernte im Alltag
Energy Harvesting bedeutet das Ernten von elektrischer Energie im
Millivoltbereich und Milliwattbereich aus natürlich vorhandenen
Quellen wie Druck, Luftströmung, Vibration oder kleinen Temperaturdifferenzen. Ein Anwendungsbeispiel ist die Piezoelektrik
(von piezo = Druck), bei der durch Schritte auf entsprechend
verschalteten Piezo-Platten so viel Strom entstehen kann, dass das
Einschalten einer Beleuchtung oder gar die Versorgung von LEDs
möglich wird. Auch in Turnschuhen gibt es schon
piezoelektrische Elemente, die Läufer können damit
ein Pulsmessgerät, eine Uhr oder gar einen MP3-Player
betreiben. Natürlich fragt der elektrisch interessierte Laie,
um wie viel Strom genau es sich handelt. Hierauf gibt es leider keine
Antwort, sondern lange, aufwendige Gleichungen ohne exakte Angaben bis
auf 1 J = 1 Nm = 1 Ws (ein Joule ist ein Newtonmeter und gleichzeitig
eine Wattsekunde). An dieser Stelle klafft leider eine Lücke
im Internet, liebe Freunde der elektrischen Kunst. Lediglich in einem
Forum meldet ein Bastler, mit Piezoelektrik sagenhafte 93 Volt und 6
Watt erzeugt zu haben.
Zielrichtung beim Energy Harvesting
Zum einen soll Energie auf umweltfreundliche Weise und aus den vielen
alltäglichen energetischen Vorgängen gewonnen werden,
die nun einmal vorhanden sind. Das oben erwähnte Beispiel mit
den Piezo-Platten ist der beste Beleg, denn man errechne einfach die
Energie der Schritte von Tausenden Kunden eines Einkaufszentrums, die
ungenutzt verpufft. Warum soll daraus nicht Licht oder eine
Klimatisierung entstehen? Ein weiteres Anliegen beim Energy Harvesting
sind Steuerungsprozesse. Um wieder beim erwähnten Beispiel zu
bleiben: Wenn die Piezo-Platten betreten werden, geht
überhaupt erst das Licht an, das ansonsten nicht
benötigt wird, beispielsweise nachts auf unbelebten
Straßen. Entweder liefert der Läufer selbst genug
Strom für wenigstens etwas LED-Licht, oder die Piezoelektrik
wirkt als Impuls auf einen Stromschalter. Das ist aktuell (Anfang 2013)
sogar noch die Hauptzielrichtung beim Energy Harvesting, da die
elektrischen Leistungen selbst sehr gering ausfallen.
Außerdem möchte man Batterien und Verkabelungen
einsparen.
Anwendungsbeispiele für Energy Harvesting sind:
- Fotovoltaik und Solarthermie
- piezoelektrische Platten
- Energiegewinnung aus Armbewegungen in mechanischen Armbanduhren mittels kugelgelagertem Rotor
- Energiegewinnung durch Temperaturunterschiede mittels thermoelektrischen Generatoren und pyroelektrischen Kristallen
- Energiegewinnung aus der elektromagnetischen Strahlung von Radiowellen in passiven RFIDs
- Osmose
Wie funktionieren eigentlich Piezo-Platten?
Beim piezoelektrischen Effekt wird mechanischer Druck in elektrischen Strom umgewandelt. Die Anwendungen sind heute schon vielfältig, neben den erwähnten Piezo-Platten sind es auch Piezo-Zünder, Funkschalter auf piezoelektrischer Basis oder autarke Sensoren. Das Wort leitet sich aus dem Griechischen πι?ζειν ?λεκτρον (piezein elektron = Druckelektrik) ab, das Prinzip basiert auf einer Änderung der elektrischen Pole in Festkörperkristallen, wodurch sich der Strom aufbaut. Neben dem direkten Piezoeffekt, also der Erzeugung von Strom durch mechanischen Druck, gibt es auch den inversen Piezoeffekt, also umgekehrt einer mechanischen Verformung durch Strom. Das Prinzip ist seit 1880 bekannt (Entdeckung durch die Curie-Brüder Jacques und Pierre), zunächst kamen Turmalinkristalle als Erzeuger zum Einsatz, heute verwendet man überwiegend Blei-Zirkonat-Titanat. In den verwendeten Kristallen bilden sich winzige Dipole in den Elementarzellen, wenn diese verformt werden, die Ladungsschwerpunkte zwischen Protonen und Elektronen werden verschoben. Viele dieser Elementarzellen erzeugen auf diese Weise ein elektrisches Feld, das messbar ist und für eine Energieernte genutzt werden kann.
Energy Harvesting durch Thermoelektrizität
Die Entdeckung der Thermoelektrizität reicht noch weiter zurück, schon 1821 ermittelte der Ingenieur Thomas Seebeck eine elektrische Spannung in einer Metallstange, die unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt wurde. Heutige Anwendungen sind vorrangig Temperaturmessungen, die Energieernte fällt vergleichsweise sehr gering aus (Wirkungsgrad aktuell unter 10 Prozent). Man hofft jedoch, durch geeignete Materialien den Wirkungsgrad steigern zu können und auf diese Weise die Abwärme in Kraftfahrzeugen, Müllverbrennungsanlagen, Blockheizkraftwerken oder Abwasseranlagen nutzen zu können.